Wie Kommunikation familiäre Übergaben retten kann
Wenn Unternehmen innerhalb der Familie übergeben werden sollen, scheint auf den ersten Blick vieles einfacher: Man kennt einander, teilt Werte und Geschichte. Doch gerade diese Nähe macht den Prozess komplex. Emotionen, Erwartungen und unausgesprochene Konflikte können sich zu Stolpersteinen entwickeln – oft nicht laut, aber spürbar. Professionelle Gesprächsführung und Moderation helfen, diese verborgenen Dynamiken zu erkennen und aufzulösen, bevor sie eskalieren. Kommunikation wird damit zum Schlüssel für eine gelingende Übergabe.
Familienlogik trifft auf Unternehmenslogik – ein Spannungsfeld
In Familienunternehmen treffen zwei Systeme aufeinander: das rationale System „Unternehmen“ und das emotionale System „Familie“. Während das eine auf Effizienz, Planung und Zielorientierung basiert, funktioniert das andere auf Grundlage von Bindung, Rollenbildern und impliziten Regeln. In Übergabeprozessen prallen diese beiden Logiken häufig aufeinander – zum Beispiel, wenn das Loslassen für die Seniorgeneration mit Verlustängsten verbunden ist oder wenn Nachfolger:innen einerseits neue Impulse setzen, andererseits aber den Eltern gerecht werden wollen.
Oft werden Spannungen nicht offen ausgesprochen – aus Angst vor Verletzungen, Loyalitätskonflikten oder der Hoffnung, „es regelt sich schon“. Doch gerade das Schweigen birgt Risiken: Missverständnisse verstärken sich, unterschwellige Konflikte verhärten, Kommunikation wird passiv-aggressiv oder ganz eingestellt. Die Folge: ein scheinbar rationaler Übergabeprozess scheitert an zwischenmenschlichen Blockaden.
An dieser Stelle setzt professionelle Moderation an. Externe Gesprächsführung bringt Struktur, Sicherheit und vor allem eine neutrale Haltung in das Gespräch – eine Einladung zur ehrlichen Auseinandersetzung, ohne Gesichtsverlust.

Methoden, die Brücken bauen – zirkuläre Fragen und Tetralemma
Zwei Methoden haben sich in der Moderation besonders bewährt, um Dynamiken sichtbar zu machen und neue Denk- und Handlungsräume zu eröffnen:
1. Zirkuläre Fragen
Diese systemische Fragetechnik lädt die Gesprächsteilnehmenden ein, über Dritte oder alternative Perspektiven nachzudenken. Anstatt direkt zu konfrontieren („Was willst du?“), fragt der:die Moderator:in etwa: „Was glauben Sie, wie Ihre Tochter die aktuelle Situation erlebt?“ oder „Was würde Ihr Vater sagen, wenn er die heutige Besprechung beobachtete?“ Der Vorteil: Emotionen werden indirekt angesprochen, ohne dass die Person sofort in Verteidigung geht. Gleichzeitig werden Muster sichtbar – z. B. wer spricht für wen, wer wird nicht erwähnt, wer entscheidet wirklich?
2. Tetralemma-Arbeit
Das Tetralemma ist ein Denkmodell aus der indischen Logik und eignet sich hervorragend bei festgefahrenen Entscheidungssituationen. Es eröffnet – statt eines Entweder-Oder – vier (bzw. fünf) Positionen:
- A (z. B. „Ich übergebe das Unternehmen sofort“)
- B („Ich bleibe vollständig in der Verantwortung“)
- Beides (eine Übergangsphase, Co-Leadership)
- Keines von beidem (eine externe Lösung, Verkauf)
- Eine ganz andere Möglichkeit (z. B. Tochter übernimmt, Vater bleibt als Mentor)
Diese Methode macht sichtbar, dass mehr Optionen bestehen als bisher gedacht – und dass jede Position ihre Berechtigung hat. In moderierten Gesprächen kann das Tetralemma auch als Bodenanker oder visualisiert mit Symbolen genutzt werden.
Allparteilichkeit – die Kunst des wertschätzenden Dazwischen
Zentrale Voraussetzung für gelungene Moderation ist die allparteiliche Haltung der Berater:innen. Das bedeutet: nicht neutral im Sinne von distanziert oder emotionslos, sondern parteilich für alle Beteiligten. Allparteilichkeit würdigt jede Perspektive, erkennt unterschiedliche Realitäten an und schafft einen Raum, in dem sich niemand angegriffen fühlt.
Gerade in Familiengesprächen ist diese Haltung entscheidend. Der Vater, der nicht loslassen kann, die Tochter, die sich nicht traut, den eigenen Führungsanspruch zu äußern, die Mutter, die sich als Vermittlerin aufreibt – alle brauchen Gehör. Allparteiliche Berater:innen helfen, Spannungen auszuhalten, Polarisierungen aufzulösen und Kommunikation wieder in Fluss zu bringen.
Ein Beispiel aus der Praxis: In einer Unternehmerfamilie mit zwei potenziellen Nachfolgern stand das Unternehmen kurz vor der Übergabe, doch es herrschte Funkstille. Die Eltern hatten Angst vor einem „Familiendrama“, die Kinder wollten nicht konkurrieren. Erst durch eine moderierte Gesprächsreihe mit zirkulären Fragen und Visualisierungen wurde deutlich: Die eigentliche Angst lag darin, dem jeweils anderen „die Liebe der Eltern“ wegzunehmen. Mit dieser Erkenntnis wurde ein gemeinsames Führungsmodell entwickelt – begleitet, transparent und mit klaren Regeln.
Fazit: Gute Kommunikation rettet keine Unternehmen – aber sie rettet Beziehungen. Und auf Beziehungen bauen Unternehmen auf. Wer Übergaben nicht nur durch Vertragswerke, sondern durch offene Gespräche begleitet, schafft nachhaltige Lösungen – und bewahrt das Wertvollste, was Familienunternehmen haben: ihr Vertrauen.
Dr. Thomas Reischauer, MBA
(Geschäftsführer Reischauer Consulting)
thomas@reischauer.at


