Emotionale Herausforderungen in der Betriebsübergabe
Die Übergabe eines Unternehmens ist kein reiner Verwaltungsakt – sie ist ein zutiefst persönlicher Prozess. Für viele Betriebsübergeber:innen stellt sich nicht nur die Frage nach der organisatorischen und rechtlichen Abwicklung, sondern vor allem: Wie gehe ich emotional mit dem Loslassen um?
Wenn das Lebenswerk zur Vergangenheit wird
Wer über Jahrzehnte ein Unternehmen aufgebaut, Krisen überstanden, Innovationen angestoßen und Mitarbeiter:innen gefördert hat, sieht sich mit dem Moment konfrontiert, all das abzugeben. Das Unternehmen ist Teil der eigenen Identität geworden – ein Rückzug fühlt sich daher oft wie ein Identitätsverlust an.
Viele Unternehmer:innen berichten von ambivalenten Gefühlen: Stolz über das Erreichte trifft auf Unsicherheit, was danach kommt. Auch Ängste vor der Bedeutungslosigkeit, dem Stillstand oder einem „Leerlauf“ im Ruhestand sind keine Seltenheit. Insbesondere wenn das soziale Umfeld stark mit der Unternehmerrolle verknüpft ist, kann der Rückzug tiefe emotionale Spuren hinterlassen.
Kontrolle abgeben – ein Lernprozess
Die Übergabe bedeutet auch: Entscheidungen anderen überlassen. Für viele, die jahrelang das letzte Wort hatten, ist das eine enorme Herausforderung. Das Vertrauen in die Nachfolger:in aufzubauen, ihre Eigenständigkeit zu akzeptieren und nicht „hineinzuregieren“, erfordert emotionale Reife – und die Bereitschaft, die Kontrolle aktiv loszulassen.
Typische innere Konflikte sind:
- „Macht er/sie es richtig?“
- „Wird mein Lebenswerk erhalten bleiben?“
- „Was passiert, wenn etwas schiefgeht?“
Diese Fragen sind verständlich – aber sie blockieren oft die Weiterentwicklung des Unternehmens.
Strategien für ein gutes Loslassen
Der Weg zu einer emotional gelungenen Übergabe beginnt mit der eigenen Haltung. Wer bewusst loslässt, schafft Raum für Neues – für sich selbst und das Unternehmen.
Wichtige Schritte dabei:
- Frühzeitig reflektieren: Was bedeutet das Unternehmen für mich? Wer bin ich ohne diese Rolle?
- Neue Aufgaben definieren: Vielleicht als Beirät:in, Mentor:in oder Coach? Oder ist der Rückzug wirklich komplett gewünscht?
- Rituale nutzen: Eine offizielle Übergabe, ein Abschieds-Event oder eine Dankesrede können helfen, den emotionalen Übergang sichtbar zu machen.
- Professionelle Unterstützung suchen: Coaches oder Mentor:innen helfen, die innere Klarheit zu gewinnen und mit Emotionen konstruktiv umzugehen.
Fazit
Die Betriebsübergabe ist auch eine persönliche Transformation. Wer sie nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional vorbereitet, schafft bessere Voraussetzungen – für sich selbst, für die Nachfolger:in und für das Unternehmen. Loslassen ist keine Schwäche, sondern ein mutiger Schritt, der mit Klarheit, Vertrauen und Würde gegangen werden kann.
Ihr
Dr. Thomas Reischauer, MBA
E-Mail: thomas@reischauer.at
Nachfolgeexperte, Unternehmensberater & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger


